Ein Gastbeitrag von Matthias Karch
Exploring nervous human swarms and crowds as particle systems in the ‘Third Space’, this is a space between physical and non physical environments.
– Concept by Matthias Karch
Der Stummfilm METROPOLIS von Fritz Lang, der bei der Uraufführung im Jahr 1927 auf heftige Kritik gestoßen war, zählt inzwischen zu den Meilensteinen der Filmgeschichte. Insbesondere die Szenen zur ‚Unterstadt‘ und ‚Oberstadt‘ reagierten geistesgegenwärtig und hellsichtig auf die, alle Sinne fordernden und wie collagiert wirkenden, Un-Gleichzeitigkeits-Atmosphären der sich rasant entwickelnden Großstädte zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Das gesellschaftspolitische Hauptmotiv des Films war der Klassenkampf zwischen Unten und Oben, zwischen arm und reich. Ein weiterer Klassiker des Science-fiction-Kinos, der Film BLADE RUNNER von Ridley Scott (1982) ist in Teilen eine regelrechte Hommage an METROPOLIS und dessen ikonographische Schauplätze, setzten sie doch erstmals in der Filmgeschichte die Vision einer weitgehend außer Kontrolle geratenen, anarchistisch wachsenden Großstadt ins Bild.
Die Abbildung zeigt das vom OZA _Studio for Architecture and Scenography realisierte physische Modell der Metropolis-Oberstadt, wie es in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen war.
Das Modell wurde vom Studio OZA für eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn zum Thema ‚KINO DER MODERNE _Film in der Weimarer Republik‘ entwickelt und realisiert und ist nun Teil der Dauerausstellung in der Deutschen Kinemathek, Potsdamer Str. 2, 10785 Berlin.
© Matthias Karch, www.ozaberlin.com
Unsere Animation GHOST TOWN METROPOLIS versteht sich als Re-Interpretation der wohl berühmtesten Szene in Fritz Langs Film, der Oberstadt. In dieser Sequenz entwirft Fritz Lang, zusammen mit den Filmarchitekten Otto Hunte, Erich Kettelhut und Karl Vollbrecht, einen düster-bedrohlichen Stadt-Moloch mit einem ’Turm von Babel’ im Hintergrund. Anhand von Skizzen, von Fotografien des damaligen Sets und Filmausschnitten hat das Studio OZA die Oberstadt-Szene in ein digitales 3D-Modell übertragen und animiert.
Die Kamera fliegt über eine Gruppe von Demonstrierenden hinweg und hinein in die steilen Straßenschluchten. Sie sieht, auf ihrem Weg hinauf zur Stadtkrone, Züge vorbeifahren und Flugzeuge vorbeifliegen. Die Kamerabewegung endet schließlich auf dem Dach des höchsten Gebäudes der Stadt. Ebendort, wo bei Fritz Lang der dubiose Kapitalist Joh Fredersen sein Büro, vielmehr seinen Kommandostand hat, von wo aus er die gesamte Stadt kontrolliert.
Die Auseinandersetzung mit dieser Szene, die es bei Fritz Lang selbstverständlich auch nur als Modell in stark verkleinertem Maßstab gab, war für uns eine ausgesprochen erhellende Erfahrung, wie bildstark und wirkmächtig derartige Modellkonstruktionen sind, sofern sie präzise, spekulativ und pointiert genug entworfen werden.
Mehr? Auf ozaberlin.com sind alle Sequenzen der GHOST TOWN METROPOLIS Animation verfügbar.
Matthias Karch studierte Architektur an der TU Berlin und Bühnenbild bei Achim Freyer an der HdK Berlin. Während der Intendanz von Claus Peymann war er von 1987-90 am Burgtheater Wien als Bühnenbildassistent und Bühnenbildner tätig. Seit 1990 ist er Freier Bühnen- und Kostümbildner mit Realisationen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA. Im Jahr 1995 gründete er in Berlin das Büro OZA _Studio for Architecture and Scenography und leitet dieses Studio bis heute. Von 1995-2003 war er Professor an der Hochschule Anhalt am BAUHAUS in Dessau. Seit 2003 lehrt und forscht er als Institutsleiter des ‚Institute of Media and Design‘ am Department Architektur der TU Braunschweig.