Looping Experiment und Wissen

© Juliane Grebin

Im Sommer 2020 gründete sich die Arbeitsgruppe Digitaler Raum des Bund der Szenografen, heute Szenografie-Bund. Dort kristallisierte sich 2021 der Bedarf heraus, mit digitalen Tools für die Bühne zu experimentieren. Auch der Wunsch nach temporären Laboren wurde formuliert.

2022 initiierte die AG mit Unterstützung des Fond für Darstellende Künste die Projektreihe „Labore für digitale Szenografie“. Im Vorfeld der Labore stellten sich Fragen wie: Was ist digitaler Raum im Kontext von Szenografie? Wie beeinflusst ein hybrides Format den Raum bzw. wie beeinflusst der Raum ein hybrides Format? Wo sind physische Präsenz und Haptik entscheidend? Inwiefern bieten digitale Technologien einen Mehrwert – für die Konzeption, im Entwerfen, in der Zusammenarbeit und bei der Umsetzung? Worin liegen die digitalen Potenziale des Theaters und wie kann man diese nachhaltig fördern?

Rund um Theater sind Initiativen, Hubs und Arbeitsgruppen entstanden, die sich mit der digitalen Transformation auseinandersetzen. Auch im Bereich der Szenografie. Bundesweit wird an verschiedensten Stellen diskutiert, versucht, getestet und ausgelotet. Nun muss es darum gehen, die hier gefundenen Ergebnisse und Erkenntnisse zu bündeln und einen dynamischen Wissenstransfer zu etablieren – unter Einbezug aller Beteiligten einer Produktion: Künstler:innen, Techniker:innen, Förder:innen, Publikum, Kooperationspartner:innen. Aber wie kann man dieses Wissen teilen und ausbauen? Wie kann Wissenstransfer in Bezug auf szenografisches Wissen funktionieren?

Idealerweise iterativ, als offener Kreislauf: Wenn Szenograf:innen sich neue Techniken aneignen, lassen sie diese in ihre Arbeit einfließen, machen gemeinsam mit ihrem Produktionsteam und dem Publikum Erfahrungen, reflektieren ihr Wissen und teilen es mit (externen) Kolleg:innen und Partner:innen. Sie loten die Techniken weiter aus und variieren, kombinieren, lassen diese in ihre Arbeit einfließen, machen Erfahrungen, reflektieren, teilen Wissen usw. So spannt sich ein Bogen und eröffnet längerfristige Perspektiven über punktuelle Experimente hinaus. Hört sich banal an und ist nicht neu. Aber in der Praxis ist es eher ein Ablauf, der sich so ergibt als ein zielgerichteter Prozess mit eingeplanten Ressourcen. Effektiver ist ein planbarer Prozess, der Reflexion und Fortbildung integriert; ein Prozess, der Wissensbereitstellung beinhaltet, und Wissen zugänglich und nutzbar macht. Bestenfalls ist der Prozess durchlässig und so strukturiert, dass Beteiligte phasenweise in Austausch kommen, sich gegenseitig bereichern und wiederum ins eigene Berufsfeld hineinwirken, um dann erneut in Austausch zu gehen. Transdisziplinäre Perspektiven und unterschiedliche Erfahrungen und Hintergründe sind dabei Ressourcen, die der Prozess mit Interessen, Bedarfen und Potenzialen der Beteiligten zusammengeführt. 

Danach ließen sich Herangehensweisen an Szenografie und die Ästhetik von digitalem Raum neu denken, gestalten und iterativ über einzelne Theaterproduktionen hinaus entwickeln – über die Dauer der Auseinandersetzung mit den eigenen kreativ-technischen Prozessen und den Austausch mit anderen hinaus.

Es braucht Netzwerke, Kollaborationen und Forschung. Es braucht aber auch konkrete Orte, Equipment, Infrastruktur und Qualifizierung. Es braucht eine Suche-Biete-Austauschplattform. Es braucht praxisorientierte transdiziplinäre Labore, in denen Szenograf:innen, Developer:innen, Techniker:innen, Regisseur:innen, Dramaturg:innen u.v.m. niedrigschwellig in Kontakt kommen und gemeinsam schnelle Konzeptskizzen denken können. Es braucht ein gemeinsames Hinterfragen von Produktionsprozessen. Es braucht Reflexion und Auseinandersetzung der Labore auf theaterwissenschaftlicher Ebene sowie eine Auswertung von künstlerischen Forschungsergebnissen. Ein Wissenstransfer ist nicht nur unter Szenograf:innen nötig, sondern unter sämtlichen Beteiligten – über die Produktionsteams hinaus inklusive Förder:innen, Partner:innen, Hochschulen, Akademien, Theatern, Verbänden – so dass vereinzelte Experimente nicht vereinzelte Experimente bleiben, sondern das eine das andere anstößt.

Juliane Grebin

Juliane Grebin ist Bühnenbildnerin und Szenografin. Seit 2020 leitet und moderiert sie die Arbeitsgruppe Digitaler Raum des Szenografie-Bundes. Zusammen mit der AG hat sie maßgeblich die Labore für digitale Szenografie auf den Weg gebracht.

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